MÖGLICHE REFLEXIONEN
20 November – 20 December 2014


Franz Baumgartner
Günther Förg
Andreas Gloël
Howard Hodgkin
Axel Hütte
Adolf Luther
David Lynch
David Rankin
Thomas Scheibitz
Leonid Sokhranski
Jens Stittgen


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ROY MORDECHAY
Partial models of truth

5 September – 11 October 2014

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Morning Memory, 2014, Oil on canvas, 180 x 155 cm


Die jüngsten Arbeiten von Roy Mordechay (*1976, Tel Aviv) positionieren das Individuum auf eine Bühne innerhalb eines eigenen Universums. Die chromatisch fein abgestuften, mal geheimnisvoll-dunklen, mal lieblich-pastellfarbenen, surrealen Landschaften werden von verschiedenartigen Wesen, seltsam funktionslosen Gerüsten und fragilem Geäst bevölkert. Diese Modelle der Wirklichkeit spielen auch in malerischer Hinsicht mit dem gesteuerten Zufall, wenn auf Leinwänden Tinte aquarellartig verläuft und mit Ölfarben kombiniert wird.
Die Ausstellung umfasst Ölgemällde und Aquarelle.

The recent work of Roy Mordechay (*1976, Tel Aviv) position the individual on a stage within their own universe. The chromatic finely graded, sometimes mysterious and dark, sometimes sweet-pastel-colored, surreal landscapes are inhabited by various creatures, strange functionless scaffolding and fragile branches. These models of reality play in a picturesque respect to the controlled random when on screens ink runs watercolor-like and is combined with oil paints. The exhibition includes canvases and watercolors.


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Night Memory 1, 2014, Oil on canvas, 50 x 60 cm


Teilmodelle der Wahrheit – Roy Mordechays neue Bilder bei Felix Ringel

Wie im Spiel zwischen Gestaltung und Erscheinung präsentieren sich die neuen Werke von Roy Mordechay in der Galerie Felix Ringel. Teilweise schichtet sich Fläche auf Fläche, verdichtet sich die Farbe, scheinen Linien einen freien, leichtfüßigen Spaziergang zu vollziehen und in der Bildfläche ihren eigenen Weg zu finden.
Aber der Blick des Betrachters bewegt sich auf den Bildflächen Mordechays wie auf dünnem Eis. „Morning Memory“ von 2014 zeigt Schichten zwischen Rosa, Weiß und hellem Gelb: Lichte Farbprozesse dominieren die Fläche. Kontrastierend bewegt sich das Bild „Night Memory“ von 2014 im finsteren Farbspektrum der Nacht. Alles erscheint zunächst als gefärbte Fläche. Davor ereignen sich spielerisch Linien. Überlegungen zur Perspektive bleiben in wenigen Strichen angedeutet und verlieren sich in angedeuteten Liniengerüsten.
Erinnerungen werden wach: Erinnerungen an das Licht des Morgens und das Licht der Nacht, aber auch Erinnerungen an die Malerei der Moderne, die die Komponenten der Bildfläche systematisch erforscht. Auffallend wichtig ist in Mordechays Bildern die Transparenz und Balance der Farbe, der Formen und des Lichts und dieser Aspekt ruft z.B. die Bilder Paul Klees aus seiner Weimarer Bauhauszeit in Erinnerung.
Auf den zweiten Blick gerät Mordechays spielerische Ordnung der Bildwelt jedoch aus den Fugen: Am Horizont der morgentlichen Farbenfrische wölbt sich in giftigem Farbklang – wie ein winziger Wurm – ein verkümmerter Regenbogen. Der Nachthimmel erscheint durch Linien wie in Schallwellen segmentiert – Schallwellen denen sich ein fragiles Gestell in rostigen Farbtönen rezeptiv zuzuneigen scheint – aber mit der Vergeblichkeit einer Ruine.
In „Next Station“ von 2014 verbildlicht sich Warten mit einer an Becketts „Godot“ erinnernden Hoffnungslosigkeit zwischen Moosgrün, giftig oxidiertem Türkisgrün und Türkisblau, die ein massives, künstliches Pink überwölbt. Die Farbbahnen erscheinen als Wege zur unerreichbaren nächsten Station – unerreichbar für eine in Linien eingesperrte schwarze Silhouette einer winzigen Menschengestalt, einer Menschengestalt, die in der Kontur des Wartens zeichenhaft verharrt.
Ein Hund taucht in verschiedenen Werken immer wieder auf, wie ein Leitmotiv, aber anders als Max Ernsts Vogel „Loplop“ visualisiert der Hund eine irritierende Doppelsinnigkeit: Einerseits merkwürdig hilflos erscheint er winzig und verloren an der Peripherie des Bildraums, andererseits zeigt der Hund bei längerer Betrachtung etwas Aggressives, das die Kräfte des Bildes in sich zu versammeln strebt.
Verschiedene Wahrheitsebenen werden in Mordechays Bildern sichtbar: Wahrheiten der Vergänglichkeit menschlicher Technik, Wahrheiten von bildlicher Gegenwart und verbildlichter Erinnerung, Wahrheiten systematischen Sehens mit Punkt, Linie und Fläche und Wahrheiten, die der Erkenntnis von Licht und Farbe mit äußerst reduzierten bildnerischen Mitteln eine dunkle Welt vergeblicher Ereignisse einschreiben. Bewusstes konfrontiert sich
mit Unbewusstem.
Eine weiße Tiergestalt wandert tapsig vor schwarzer Bildfläche; sie ähnelt klobigen Spielzeugformen. Plastisch tritt die Gestalt hervor und ihre schwarze Linienstruktur bläht sie massiv räumlich gegen die schwarze Fläche des Bildhintergrunds. Immer tiefer zieht der Schwarz/Weiß-Kontrast in den Schrecken: Die Gestalt enthüllt sich mit dem Gesicht einer Maske, der spitzen, gespenstischen Maske des Klu Klux Klan. Mordechays Bild von 2014
heißt „Can’t sleep“ und es ist in diesem Bild offensichtlich: Auch eine schlaflose Vernunft kann Ungeheuer gebären.
Schließend sei festgestellt: Roy Mordechay eröffnet in seinen neuen Werken zwischen Bildfläche und Bildraum eine Dialektik des Sichtbaren, in der der schmale Grad zwischen Spiel und Abgrund eine eigene changierende Gestalt gewinnt.

Irene Pelka, August 2014


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Next Station, 2014, Oil on canvas, 30 x 24 cm
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Recovery, 2014, Oil on canvas, 30 x 24 cm
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Can't Sleep, 2014, Oil on canvas, 60 x 70 cm
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Stage #4, 2014, Watercolor and ink on paper, 56 x 75 cm


CRISTINA BARROSO
Beyond tomorrow-claiming: Landscapes of uncertainties
anlässlich der Quadriennale Düsseldorf 2014

9 May – 4 July 2014

Über das Morgen hinaus


Chris Dercon
Die Aufmerksamkeit kann gesteuert werden, nicht aber das Gedächtnis.
für Cristina Barroso

Wir wissen, wie wir lange währende Erinnerungen erzeugen können. 
Aber was machen wir anschließend mit ihnen? 

Wir erschaffen Gedächtnispaläste und unterschiedlichste Landkarten.

Es handelt sich hier um alte Techniken, die jeder Erinnerung ihren eigenen 
Platz zuweisen: sie kombinieren räumliche und visuelle Systeme mit dem Ziel, 
abstraktere Informationen zu erlernen und so Dinge und Fakten des Lebens im 
Gedächtnis zu behalten, und um dann diese Bilder in ihre ursprüngliche Bedeutung 
zurück zu übersetzen.
Gedächtnispaläste sind angeblich auf den griechischen Denker Simonides zurück-
zuführen. Nach diesen frühen mnemotechnischen Methoden entwickelten Reisende 
und Forscher später weitere „Tricks“, um Beschreibungen und Einzelheiten zu 
erinnern und wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Frances Yates beschreibt eine ganze Reihe von ihnen in seinem „Theater of memory“, 
einer Essaysammlung aus der Renaissance. Ihm folgte Jonathan Spencers Bericht 
über den China-Aufenthalt des italienischen Jesuiten Matteo Ricci.
Als der Historiker Tony Judt 2010 tief in einer amyotrophen Lateralsklerose steckte, 
rekonstruierte er in Anlehnung an Ricci sein Leben und seine Ideen mithilfe eines 
mnemomischen Schalters und einer Speichervorrichtung: seinem „Gedächtnis-Chalet“.
Die Bilder und Objekte von Cristina Barroso erinnern mich an die Objekte und Land
karten, die von Denkern der frühen Neuzeit, mittelalterlichen Reisenden und 
zeitgenössische Gedächtnismeister wie Tony Judt benutzt wurden.
In vergleichbarer Weise erfindet Cristina Barroso ihre narrativen Elemente, indem sie 
Daten und Fakten in Fiktion verwandelt. Sie tut dies offenbar, um die Komplexität 
ihrer eigenen Welt besser zu verstehen, in der sich die südliche und nördliche 
Hemisphäre - sowohl familiär wie in ihrer Arbeit - durchdringen. Sie liebt es, lange 
Listen zu erstellen, in die sie ihre Erfahrungen als Frau und Künstlerin in Form visueller 
Abstraktionen einträgt.
Sehr häufig nehmen ihre Ideen dabei die Form von Landkarten, Globen und wissenschaftlichen Modellen an oder erinnern an die Alchemie eines Athanasius Kirchners, 
an die farbintensiven geopolitischen Karten von Alighiero e Boetti, aber auch an 
Spielbretter und pharmazeutische Formeln.
Barroso kartographiert und reproduziert ihr Leben mithilfe von invertierten auto-
biographischen Materialien oder intimen Notizen, die alle von Ordnung und Unordnung 
Zeugnis ablegen. Dergestalt ist Cristina ständig dabei, ihre Erinnerungen zu ordnen 
und umzuordnen und dabei ihr eigenes Sein zu verorten. Marcel Proust schrieb hierzu: 
„Die Erinnerung an vergangene Dinge ist nicht notwendigerweise die Erinnerung an die Dinge, 
wie sie wirklich waren“.Die Aufmerksamkeit kann gesteuert werden, nicht aber das Gedächtnis: 
das ist der Grund, warum Cristina Barroso hier zur Kunst greift. 




Chris Dercon, London 26. Februar 2012


Über das Morgen hinaus


Chris Dercon
Attention can be re-directed, but not memory.
for Cristina Barroso

We know how to form long- lasting memories. But how do we look after them? We create memory-palaces and all sorts of maps. These are ancient techniques that give each memory a place of its own: they combine spatial and visual systems into the service of learning more abstract information, in order to remember things and facts of life. 
That is: to translate these images back to their original meaning. Memory palaces are said to be the brainchild of the ancient greek Simonides. After these early mnemonic devices, travelers and explorers developed other 'tricks' to store and recall description and detail.
Many of these are beautifully commented upon in the 'theatre of memory', the Renaissance essays of Frances Yates and more recently in Jonathan Spence's account of the journeys in China of the Italian Jesuit Matteo Ricci.
When historian Tony Judt, in 2010, got at the midpoint of decline of amyotrophic lateral clerosis, he reconstructed his life and ideas, inspired by Ricci, in the form of a mnemonic trigger and a storage device: a ‚memory-chalet‘.
The pictures and objects of Cristina Barroso, remind me of the objects and maps used by early modern thinkers, medieval travelers and contemporary memorizers such as Tony Judt.
Likewise, Cristina Barroso invents narratives, turning data and facts into fiction. She does apparently so, in order to understand better the complexities of her own world in which, through family and work, the southern and northern hemispheres are interwoven. Indeed, she likes to draw up long lists, enlisting through visual abstractions, her experiences, as a woman and an artist. 
More often than not, her ideas take on the forms of maps, globes and scientific models, referring to the alchemy of Athanasius Kircher, the colorfull geopolitics of Alighiero e Boetti but also to game-plans and pharmaceutical formulas.
Barroso charts and reproduces her life, through inverted, autobiographical materials as well as intimate notices, which all show and tell of order and disorder. As such Cristina constantly arranges and re-arranges her memories, mapping out her own being. Indeed, Marcel Proust once wrote: 'remembrance of things past is not necessarily the remembrance of things as they were'. Attention can be re-directed, but not memory: that is why Cristina Barroso, makes art about it.



Chris Dercon, London 26 February 2012.


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CHRISTOPH BREUER
The Caliburn Paintings

06 February – 29 March 2014

The Caliburn Paintings

Christoph Breuer, Caliburn II (japanisch), Öl auf Leinwand, 2013, 70 x 90 cm


Christoph Breuer Caliburn

von Thomas W. Kuhn, Berlin 2014

Mehr als eine Legende berichtet von Schwertern, die von überirdischen Mächten in Steine oder Bäume versenkt wurden, um von einem Auserwählten heraus gezogen zu werden. Das bekannteste dieser Schwerter wurde im Rahmen der Artussage bekannt als Excalibur. Der britische Historiker Geoffrey von Monmouth nannte es im 12. Jahrhundert „Caliburn“, nur einer von vielen Namen, die in der Literatur für das wundertätige Schwert benutzt wurden.
Die neuen Bilder von Christoph Breuer (*1970 in Aachen) widmen sich aber nicht den Erlebnissen der Sagengestalt Artus. Sie zeigen vielmehr unterschiedliche Messer, die innerhalb zeitgenössischer Interieurs in hölzernen Tischplatten stecken. So alltäglich der Ort, so wenig alltäglich ist die Situation. Solche Messer haben ihren Platz in einer Schublade, in einem Messerblock oder auf der Arbeitsfläche einer Küche. Steckt es in einem Tisch, wirkt das Messer wie eine Bedrohung.
Oder handelt es sich – etwa – legt man die Artussage zu Grunde – um eine Herausforderung, die eine Erwählte oder einen Erwählten sucht? Die Antwort bleibt offen und die Situation rätselhaft, wie die Stimmung in so vielen Bildern Christoph Breuers. Wo die präzise Visualisierung des in Berlin lebenden Künstlers an die exakte Naturbeobachtung der frühen Renaissance erinnert, gemahnt die mysteriöse Stimmung an diejenige Malerei, die der Kunsthistoriker Franz Roh als „Magischen Realismus“ bezeichnete.
In den Bildern Christoph Breuers treten die Messer in einen spezifischen Dialog mit den Materialien in ihrer Umgebung. Holz und Metall erscheinen wie Antipoden, versinnbildlichen als Gegensätze zwischen dem Organischen und dem Anorganischen auch den Kontrast zwischen Leben und Tod.
Hier und da weiten andere Dinge das Spektrum der Assoziationen aus. Der Blick durch ein Fenster nach Außen, fragt nach heimlichen, unsichtbaren Zeugen – vielleicht im Haus vis à vis. Zugleich verstärkt dieses entfernt sichtbare Haus das heimelige Vorstadtambiente des Sujets. In einem anderen Bild mag ein japanisch anmutendes Gartenmotiv die rituelle Dimension im Umgang mit Messern und Schwertern beschwören. Felsen und Astwerk werden Teil einer exotischen Kulisse zur Inszenierung des Bildgegenstands.
Aber auch der abwesende Mensch erhält in dieser Bildserie eine merkwürdige Präsenz. Begreift man die in den Tischen steckenden Messer als Teil einer vorhergehenden Handlung und den Akt selbst als eine Geste, so wird die Frage aufgeworfen: Wer hat das Messer so kraftvoll in den Tisch gerammt? Und wem gilt dieser Akt symbolischer Gewalt? Wer stört den Frieden des behaglichen Heims und was hat diesen potentiellen Konflikt ausgelöst? Keine dieser Fragen wird beantwortet, sie bleiben im Raum stehen. Sie werden zur beunruhigenden Resonanz der an sich stillen, fast meditativ wirkenden Bilder. Unterschwellig und durch die Malerei kompositorisch subtil angedeutet stellt sich die Vermutung ein: diesseits der Tische kommen wir selbst als Bildbetrachter zu sitzen (und zu stehen). Und nachdem wir uns auf ein solches Verhältnis zu den Bildern Christoph Breuers eingelassen haben und gewissermaßen in seine Bildwelt integriert sind, dürfen wir der Frage nachgehen, in welche der möglichen oben genannten Rollen wir selbst zu schlüpfen bereit sind...


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